Vor 20 Jahre am 15. Oktober 1999 kam Figue in mein Leben. Ich war 36 Jahre alt und hatte eine schweren Reitunfall hinter mir. 11 Operationen zwischen meinem 15. und 30. Lebensjahr waren notwendig, dass ich meinen linken Arm behalten konnte. 6 Jahre später stand ich vor Figue als blutige Anfängerin, da ich natürlich aufgrund der großen Gefahr für meinen Arm nie wieder hatte reiten dürfen.
Ohne viel Ahnung von Pferden…die große Liebe zu ihr war in mir ausgebrochen und nicht mehr aufzuhalten! Ein starkes und stures Stütchen, das schon zweimal abgefohlt hatte und nicht viel “in die Schule gegangen war” stellte eine große Herausforderung für mich dar. Ein spezieller Armschutz auf Maß wurde angefertigt, einen Reithelm – ja es gab ihn, aber nee, sowas kam mir nicht auf den Kopf, ich durfte ja sowieso nicht von ihr runterfallen – und eine Weide mit einem umgehend gebauten Unterstand gab es dann auch recht schnell. Tja und dann kam die Große von Val d’Isère in meine Obhut !
Kurz vor Weihnachten verletzte sie sich unterhalb des Fesselgelenks, schön mit Eiter, weil ich Novizen-Pferdebesitzerin es nicht gesehen hatte. Weihnachten stand an in Deutschland bei meinen Eltern. Und nun, was machen mit einem Pferdchen, das täglich laut Tierarzt versorgt werden musste und meine Eltern wussten ja noch immer nichts von meinem Abenteuer „Figue“ ? Schnell sollte ich begreifen „hat man ein Pferd, so kümmere man sich und wenn man dies nicht kann oder will, ja dann sollte man wohl besser kein Pferd haben“. Diese Worte eines weisen Mannes trafen mich, doch er hatte recht! Figue wurde versorgt und ich konnte für 2 – 3 Tage fahren.
Im Januar hat sie mich dann in den Wahnsinn getrieben mit ihrer grenzenlosen Sturheit und ich wollte sie nicht mehr sehen…nach ein paar Tagen ging die Sehnsucht nach ihr wieder los und ich fuhr wieder selbst zu ihr… Im sommer 2000 schickte ich sie dann „in die Schule“, sie sollte doch wenigstens ein paar Grundlagen lernen. Da stand sie in einer Box – oh je oh je… sie war todunglücklich und meine Reitstunden mit ihr waren furchtbar – stehenbleiben bei Buchstabe K im Viereck und so weiter – es war mir wirklich zu doof ! Der Reitlehrer, ein renommierter Vielseitigkeitsreiter, meinte, dass ich mich in Kürze mit ihr langweilen würde und ich sollte doch besser nach einem anderen Pferd schauen. So ein Blödsinn !
Ich war so froh, als sie wieder auf ihrer Weide stand und sie galoppierte los wie eine Irre, war nicht mehr zu bremsen, so glücklich war sie, aus dieser Gefangenschaft der Box heraus zu sein! Später brachte ich sie mehrmals in die Berge des Vercors, wo sie mit viel Gefühl und Respekt die Grundlagen erlernte, Vorbereitungen für TRECs mit mir machte und dies alles immer eingegliedert in einer großen Herde. Es war eine sehr schöne Zeit und wir lernten Beide viel.
Über viele Jahre hinweg machten wir Wanderritte und regelmässige Ausritte. Ich liebte ihren Trab und ihre Ruhe in brenzligen Situationen. Sie wusste immer, wann ich unnötigerweise Angst vor etwas hatte und zeigte mir oft „trau Dich mal“ und sie hatte immer recht. Aus diesem einst so sturen, ungeschultem Pferdchen war ein unglaublich toller und verlässlicher Partner geworden, der mich nie abgeworfen oder in Gefahr gebracht hat, nie durchging oder anderweitig die Nerven verlor. So ein feines Pferdchen war an meiner Seite, als wir am 17. Dezember 2009 ganz grausam aus dieser Traum-Realität gerissen wurden.
Sie hatte mir 10 Jahre lang meine verlorene Pferdejugend zurückgegeben, und dann hat sie sich vergiftet. Eine furchtbare Kolik hielt uns eine ganze Nacht bei minus 15 Grad wach und es war nicht sicher, ob sie sie überleben würde.
Doch die starke Figue überstand diese Kolik, nur kam danach die logische Konsequenz: Hufrehe auf allen 4 Hufen. Die Krise war schrecklich, sie wollte ihre Hufe wie „wegschmeißen“ – die Markierungen sind heute noch im Pferdehaus zu sehen. Ich hatte gleichzeitig 2 Bandscheibenvorfälle in den Halswirbeln….wir waren ziemlich lädiert. Figue war damals beschlagen, all ihre Pflege war konventionell bis zu dieser Erkrankung und so bekam sie orthopädische Beschläge von zwei Top-Hufschmieden. Die Röntgenbilder nach 4 Wochen waren nicht gut, neuer Beschlag, Wurmkur und dann brach sie nach insgesamt 6 Wochen strikter Befolgung des Protokolls des Tierarztes komplett zusammen – sie kam zum Dauerliegen. Am 3.Februar waren die Hufbeindurchbrüche schon zu erahnen, die Anzeichen waren klar wie ich heute weiss. Ausser ihr ein Komplettpaket an Heilpflanzen täglich zur Unterstützung zu geben plus all die Medikamente des Tierarztes …was wusste ich denn schon !?!? Eine Haaranalyse wurde in Auftrag gegeben – das Ergebnis war vernichtend. Eigentlich war Figue dem Tod geweiht, es gab keine Hoffnung mehr. Ich schaltete Homöopathie dazu, langsam stand sie wieder auf und ich führte ein Tagebuch, ihre Temperatur, wie viele Stunden sie am Tag zusammengezählt stand, wann sie was bekam zwischen Tierarzt- und natürlichen Mitteln, wieviel sie frass und trank. Mein Leben spielte sich nur noch bei ihr in ihrem Haus bei eisigen Temperaturen ab. Meine Herzenstute war am Sterben…mein Leben hatte so gar keinen Sinn mehr. Immer wieder sagte ich ihr, dass sie es schaffen wird, wieder traben und galoppieren würde – wir sind stark, Kämpfernaturen und wir packen das. Es war so schwer, daran zu glauben…doch wir kämpften weiter. Einen Monat später, insgesamt nun 3 Monate seit der Kolik, kam dann das Todesurteil : 4 Hufbeindurchbrüche! Der Tierarzt teilte mir mit, dass er nun nichts mehr für uns tun konnte außer sie einzuschläfern. Meine Welt brach zusammen, ich brach auf meiner kleinen Straße nach Hause tränenüberströmt und zitternd zusammen und meine beste Freundin brachte mich an ihrem Arm die letzten Meter zu meinem Haus. Figue durfte nicht sterben !!!
Meine Sinne kamen zurück, ich telefonierte und mailte mit x Kliniken, die Tierärzte meinten alle, ich solle sie in Frieden gehen lassen. Es sei zu spät. Ein SOS ging raus per mail an jemanden in Deutschland und an diesem Wochenende, es sollte ihr letztes sein, erhielt ich eine Menge Information, wie ihr geholfen werden konnte. YES !! Und Figue wollte leben – alle Litzen waren abgebaut ums Haus herum – sie durfte hin wo immer sie wollte und sie wälzte sich im Schnee! Montag abend kam die Nachricht einer lieben französischen Wanderritt-Freundin, dass Frau Dr. Strasser in Deutschland helfen könnte.
Dienstag mittag sprach ich mit ihr und bekam endlich Antworten auf all meine Fragen, auf die die Tierärzte hier keine Antworten hatten. Die Entscheidung fiel schnell und so fuhr meine nicht transportfähige Grosse noch am gleichen Tag gen Tübingen. Um 4 Uhr morgens kamen wir an, Frau Dr. Strasser begrüsste uns und Figue stieg mit all ihrem starken Charakter aus dem Hänger. Ich war nur noch ein Häufchen Elend, erschöpft, abgemagert und einerseits voller Hoffnung und andererseits voller Angst.
3 Stunden Schlafen und nun Eisen abnehmen. Man durfte ihre Hufe schon gar nicht mal mehr anschauen, Röntgen war auch tabu und nun die Eisen runter – oh je oh je ! Sie stieg fast 40 Mal, soviel Energie hatte sie ! Der 17. März 2010 war der erste Tag ihrer Heilung und von da an ging es endlich vorwärts. Innerhalb von 4 Wochen hatte sich schon viel Horn gebildet in den Bereichen der Durchbrüche. Es war faszinierend mitzuerleben, wie eine korrekte Hufbearbeitung die Heilung auf natürlichste Weise unterstützt. Das neue Wachstum war gut und die neue, gesunde Aufhängung war langsam zu erkennen. Hier zwei links zur Heilungsgeschichte von Figue: Figues Heilungsweg und Hochgradige Hufrehe von Figue
Ich fuhr alle 2 Wochen zu ihr, ging mit ihr und einer Isistute das Wochenende über spazieren. Nach 5 ½ Monaten durfte sie wieder nach Hause. Jemand in Ausbildung sollte ihre Hufe weiterbetreuen, da ich mich selbst nicht im Stande sah, diesen Job zu machen ohne jegliche Ausbildung nur mal gerade 3 Tage Basisseminar. Doch die Dame hatte nicht viel Ahnung und noch weniger Interesse, sich richtig einzusetzen. Aber Geld in rauhen Mengen, ja das wollte sie!
So hab ich sie rausgeschmissen und fing an, ihre Hufe unter der Regie von Frau Dr. Strasser zu bearbeiten. Wieder ein Winter, eiskalt, Schnee und die Heilung war ja noch nicht abgeschlossen… Irgendwie haben wir es geschafft und im März 2011 galoppierte sie mir das erste Mal davon! Ich hatte mein Versprechen gehalten :-))) !!! Jeden Tag, egal welches Wetter, gingen wir spazieren „Bewegung ist Heilung“ und am Ende lief ich die meiste Zeit rückwärts, da ich sehen wollte, wie sie ihre Hufe aufsetzte und wo es eventuell Blockaden weiter oben gab. Ich lernte jeden Tag, hörte ihr zu und unterstützte sie. Gab es noch Zeit oder Interesse für die normalen Dinge des Lebens? Nein nicht wirklich, und so kam unweigerlich die Frage : wie sollte es weitergehen?
Nach einem Ausritt mit Figue im Oktober 2011 entstand HAPPQUUS bei einer Tasse Tee mit meiner liebsten Freundin, die mich all die Zeit tatkräftig und unbegrenzt unterstützt hatte. Die Namensfindung erinnert an die Isistute Happy, die Figue in dieser schweren Zeit in der Klinik immer zur Seite stand und bei den Spaziergängen in Tübingen immer dabei war. Happy ist leider gestorben – HAPPYQUUS hält ihr Andenken in Ehren.
So entstand 2012 meine Firma mit dem Ziel, Pferden eine artgerechte Ernährung zu bieten. Vorbeugung und nicht Therapie stehen nach wie vor im Vordergrund. Ich machte verschiedene Ausbildungen, beobachtete die Reaktionen der Pferde, entwickelte das notwendige Gefühl und tatste mich langsam vor. Türen gingen auf, wertvolle Zusammenarbeiten entwickelten sich und es erfüllt mich mit einer unglaublichen Dankbarkeit, dass ich über die Jahre mein Wissen so intensiv und sinnvoll ausbauen konnte, um Pferden heute auf natürliche Weise ein Wohlbefinden schenken zu können.
10 Jahre sind vergangen, seit Figue so krank war, letztendlich hat sie mich auf diesen Weg gebracht, da ich es damals so gern in die Welt gerufen hätte, dass kein Pferd an Hufrehe sterben muss ! 10 Jahre Neues Leben für Figue und mich. Sie wird nun bald 27 Jahre und ist immer noch die uns bekannte starke Stute. Ihr Rücken ist viel gerader als vor 10 Jahren, ihr Stoffwechsel ist top und sie darf ihr Leben nun in ihrer kleinen Herde mit einer Isistute, die sie sehr liebt, genießen und einfach nur glücklich sein…und ja, spazieren gehen wir auch heute noch!
Meine Liebe zu ihr ist ungebrochen und wächst mit jedem Jahr …. Danke Figue für Deine Stärke, Deinen Stolz, Deine Toleranz, Deinen ehrlichen Charakter und Deine kraftvolle Ausstrahlung. Danke Figue, mich auf „meinen Weg“ gebracht zu haben, das Leben mit anderen Augen zu sehen, mich immer wieder zu prüfen und mit positiven Gedanken und Antrieb dem nachzugehen heute, was für mich der Sinn meines Daseins bedeutet.
Es waren anstrengende 10 Jahre, in denen mein Privatleben sicher zu kurz kam, aber da ich mit Herz und Seele bei den Pferden bin, ist das nicht so schlimm. Mein Werdegang führte mich von einer absolvierten Ausbildung zur nächsten, ob es nun Hufe waren, oder Ernährung & Stoffwechsel, Bioresonanz, Labordiagnostik, Lymphdrainage, Blutegel, manuelle & cranio-sakrale Therapie, Kinesiologie, Tierkommunikation – es gehören soviele Bereiche in einen globalen Ansatz. Nur ein Bild der Gesamtsituation kann Aufschluss geben, was für ein Pferd individuell passt.
Die meisten Ausbildungs-Puzzleteile passen perfekt in das von mir angestrebte Gesamtbild meiner Kenntnisse und sind sinnvoll und zielführend. Ich hatte oft das Glück, von den Meistern selbst lernen zu dürfen. Aber es gab auch so manch eine traurige Erkenntnis in den letzten Jahren. Zum einen Dr.Facebook, bei dem viele Pferdebesitzer Therapie-Anleitungen suchen, und zum anderen Menschen, die den Lauf der social networks zu ihren Gunsten nutzen – ob es dabei noch wirklich um das Wohl des Tieres geht, sei dahingestellt – und dann noch der Mensch schlechthin mit einem überdimensionierten Ego, ethischer Ignoranz, power games in allen Farben …. „das Glück liegt auf dem Rücken der Pferde“, ist das so? So sollte es sein, oder auch einfach nur in einer wunderbaren Partnerschaft ob zu Pferd oder zu Fuss.
Als HAPPYQUUS entstand war mein Leitmotiv immer: „Qualität vor Quantität“ und dieser Devise bin ich all die Jahre treu geblieben. Natürlich gibt es viel zu tun, es wird eher mehr als weniger, und ja ich hätte gern Unterstützung, dennoch habe ich dieses Jahr die Entscheidung gefällt, HAPPYQUUS bleibt auf diesem Kurs, Lösungen und Betreuungen für ein artgerechtes Leben aus einer Hand. Ich danke an dieser Stelle auch sehr meinen lieben Kunden für ihr Vertrauen und die positiven Feedbacks über ihre gesunde(te)n und glücklichen Pferde, und auch für ihre Toleranz gegenüber meiner Agenda. Aber Ihr wisst ja auch, dass Ihr mich in Notfällen 7 Tage die Woche und auch abends erreichen könnt.
Meine eigene Armbruchtragödie und Figues Heilungsweg haben mir gezeigt, dass nur ein 100%iger Einsatz zum Ziel führt. Oft sagte ich mir, nur das Beste ist gerade gut genug! Auch heute hinterfrage ich noch viel und gebe mich nicht mit banalen Kommentaren zufrieden. Es gibt immer Raum für Verbesserungen und neue Erkenntnisse. Und die Zusammenarbeit mit hochprofessionellen Kollegen ist ein wertvoller Baustein.
Gesundheit ist unser höchstes Gut und verdient unseren bedingungslosen Einsatz im Erhalt und sofern notwendig, in ihrer Wiederherstellung. Ethik, Respekt und Aufrichtigkeit sind das Fundament für die Betreuung ….ja richtig, nicht zu vergessen meine Leidenschaft für gesunde & glückliche Pferde.
Ein bewegender Rückblick auf die letzten 20 Jahre mit Figue, meiner beste Partnerin auf diesem Weg. Danke, dass es Dich gibt meine stolzes Pferdchen !
So wünsche ich Euch Allen von ganzem Herzen einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2020, Gesundheit für Euch und all Eure Vierbeiner. Auf dass uns das nächste Jahrzehnt noch viele erfreuliche Geschichten schreibt und wir unsere Pferden noch besser zuhören !
Ich freu mich auf die nächsten 10 Jahre mit Euch,
Eure Nina
édition happyquus décembre 2019
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